Monthly Archive for Juli, 2011

We need a firehouse in Topeka…

…so help us if you can.

Beinahe hätten wir einen ähnlich lautenden Notruf abgesetzt, weil wir bisher mit dem Leipziger Abend so überhaupt nicht zufrieden waren. Ankunft hier, Unterkunft dort, Abendbier da hinten und das alles nach der längsten Etappe. Geht irgendwie nicht, und geht erst recht nicht, wenn wir ja eigentlich von hier kommen. Dummerweise liegt das Leipziger Hostel nicht gerade dort, wo man gern zusammensitzt und Alternativen bieten sich nicht, schließlich wollen sich die anderen Hostels nicht das lange Wochenende von uns zerstückeln lassen. Doch plötzlich klingelte das Telefon und eine vertraute Stimme säuselte: “Braucht ihr Hilfe?” Mike “Websen” Weber, berüchtigt durch Kniestrümpfe, Sprungkraft und unbedingten Siegeswillen zum Beispiel auch bei Schlaflos im Sattel, bot uns kurzerhand und ungefragt die Räume der Selbsthilfewerkstatt Radgeber an und hätte euch sogar allesamt dort einquartiert. Wir haben’s für die Nacht beim Hostel belassen, werden aber den Abend in den Räumen des Radgebers verbringen. Damit rückt alles zusammen, einen Späti für Bier gibt’s auch um die Ecke und zum Hostel ist es gar nicht weit. Außerdem ist die Abendverpflegung in Leipzig nun auch gesichert, da sich die Veggiefeldküche an dem Abend einfach vor dem Radgeber aufbauen wird. Es darf und soll übrigens jeder und jede in den Radgeber kommen, egal ob CD-Starter oder nicht. Es gibt ein bißchen was auf die Augen, auf die Ohren und überhaupt: In Leipzig feiern wir Halbzeit. Grundsätzlich ist das sowieso das Schöne: Leute melden sich und wollen mitmachen. Das gibt uns ordentlich Schub und es ist sowieso klar: Ohne all die Unterstützer würde alles gar nicht erst stattfinden können und wenn unser kleiner Wahnsinn ein rundes Ding wird, dann liegt das eben auch an genau solchen Leuten. Danke also Mike und Co. für’s Fragen, Anbieten und Mitmachen und danke Feldküche für’s völlig unkomplizierte Absprechen und Vorbereiten.

Und wer jetzt wissen will, was es mit der komischen Titelzeile auf sich hat, klickt einfach hier drauf, spielt Track 19 “The Beehive State” an und ist danach bitte mindestens genauso betört vom großartigen Harry Nilsson wie wir.

Göttingen.

Gleiches wie für Görlitz gilt auch für Göttingen: Unterbringen Sie sich bitte selbst! Die Eckdaten sind klar: Wir sind ab 7 Uhr am Start, spätestens um 8 Uhr solltet auch ihr das sein. Um 9 rollen wir dann los in Richtung Osten. Die Bahnverbindungen in die Leinestadt sind lustig: Aus Frankfurt ist man schnell dort, aus München ist’s auch okay, kommt man allerdings aus Dresden oder Leipzig, darf man des öfteren umsteigen und gezwungenermaßen die Langsamkeit entdecken. Daher könnte es für einige von euch günstiger sein, schon am Donnerstag anzureisen und die Nacht in Göttingen zu verbringen. David hat mal eben die Möglichkeiten aufgelistet: Das Hostel37 liegt sehr günstig und hat immerhin 11 Betten, die Jugendherberge ist wiederum etwas abseits, sollte aber mehr als genug Platz haben. Hier findet sich außerdem ein Verzeichnis der meisten Unterkünfte der Stadt und für einige von euch ist vielleicht auch Couchsurfing interessant.

Wer doch am Freitagmorgen anreisen will und sein Rad im ICE per Verpackung zum Gepäckstück zu machen gedenkt: Wir können auf keinen Fall Radkartons transportieren! Sowas wie Bettlaken etc. bekommen wir sicher in eure von uns zu transportierenden Taschen gequetscht, für alles, was darüber hinaus geht, haben wir aber keine Kapazität. In diesem ärgerlichen Zusammenhang sei hier auch an die ADFC-Initiative zum Radtransport im ICE verwiesen. Vielleicht bringt’s ja was?

FAQ und Abendbrot.

Die Tage und Wochen eilen auf den Herbst hin und da es bei unserer diesjährigen Unternehmung ja doch so einiges zu beachten gibt, haben wir endlich die versprochene FAQ eingerichtet. Sprich: Komprimierte Antworten auf alle möglichen organisatorischen Fragen, damit wir uns in Göttingen nicht gegenseitig anwundern. Wenn euch noch andere Dinge auf der Seele brennen, raus damit und einfach darunter als Kommentar. Wir antworten dann und sind alle um eine Erkenntnis reicher.

Grundsätzlich sind wir konstant am Schrauben und Deichseln und können vermelden, dass sich auch noch die eine oder andere Überraschung eingestellt hat, die wir zu gegebener Zeit natürlich an euch weiterreichen werden. Wir sind uns aber auch im Klaren darüber, dass unsere Prozessorkapazität begrenzt ist. Wenn wir unsere Küchencrew nicht komplett verschleißen wollen – und Hans & Co. würden wirklich fehlen! – sollten wir sie neben der anspruchsvollen Aufgabe von vier Mittagsmenüs nicht weiter behelligen. Aus diesem Grund haben wir bisher kein gemeinsames Abendessen eingeplant, da auch die Zielzeiten sicherlich sehr unterschiedlich ausfallen werden. Die Sportgruppe wird recht früh ankommen, andere später. Wir rechnen da mit mehreren Stunden Unterschied, da wir nicht wie im letzten Jahr immer wieder gesammelt starten. Nun schwant uns aber trotzdem, dass gemeinsames Abendessen dufte wäre und dass ihr euch nach durchlittenen Stunden im Sattel nicht auch noch auf die Verpflegungsjagd machen wollt. Daher schrauben wir an dem Thema noch etwas herum und haben im besten Fall in Quedlinburg und Leipzig externe und zeitlich unabhängige Verpflegung im Zielbereich (in Dresden sind wir mitten im Fast-Food-Viertel). Konkreter werden wir, wenn’s konkreter geworden ist. Bis dahin stellt euch bitte auf Selbstversorgung am Abend ein und seht es uns nach, wenn wir nicht an jedem Tag mit Vollpension aufwarten können.

Pics or it didn’t happen.

Verzahnung ist toll, Leute die sofort zusagen sind toll, richtig gute Fotos aus erfahrener Hand sind erst recht großartig. Hey, wir haben ein Fotofahrzeug! Wer schon länger auf dieser Seite unterwegs ist oder das fahrstil-Magazin am besten im Abonnement bezieht, ist mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit schon einmal über die Bilder von Kay Tkatzik und Robert Gebler gestolpert und – auch sehr wahrscheinlich – bei und vor ihnen hängen geblieben. Kay kommt aus Frankfurt und ist fahrstiler der ersten Stunde. Er ist so etwas wie das fotografische Rückgrat des Magazins, versetzt damit auch gestandene Radkonstrukteure in Verzückung und wird von guten Freunden schlicht “Campag-Bruder” genannt. Robert kommt aus Dresden, war auch schon in fahrstil vertreten und bebildert ansonsten ausdauernd und hochwertig nicht nur die Veranstaltungen der Ersten Mai Brigade oder die Mad East Challenge, sondern auch die Websiten von Firmen wie Light-Wolf oder Veloheld. Beiden gemein ist, dass sie schon für Critical Dirt 2010 hinter der Linse saßen und daher freut es uns umso mehr, dass sie auch für das Beast of the East wieder ins Fotofahrzeug steigen werden.

Komischerweise haben aber Fotografen die Angewohnheit, sich selbst nur äußerst ungern vor einem Objektiv aufzuhalten. Aus diesem Grund hier stellvertretend für die Männer am Auslöser je ein Bild von Kay…

…und eins von Robert…

Und damit darf die optische Ausbeute von Critical Dirt 2011 perspektivisch als gesichert gelten. Trotzdem und sowieso freuen wir uns natürlich auch auf all die Bilder von aufm Rad von euch. Nicht nur aus diesem Grund seid ihr deshalb allesamt eingeladen, der flickr-Gruppe zu Critical Dirt 2011 beizutreten. Denn auch in diesem Jahr wollen wir eine ganze Weile damit zubringen, uns durch eure in Pixeln festgehaltenen Erlebnisse zu pflügen.

Radale in Leipzig.

Am vergangenen Wochenende feierte in Leipzig wie angekündigt die Radale Premiere. Unter dem Titel „Es wird Fahrrad gefahren“ handelte es sich dabei nicht nur um eine Fahrveranstaltung, viel mehr wurde mit Film, Sound und guter Verpflegung auch Wert auf das gelegt, was man gemeinhin „Drumherum“ nennt und gleichzeitig mit diesem Begriff oft unterschätzt. Denn Geschichten tauscht man erst aus, wenn man wieder atmen kann und der Körper mit allerlei Verlangtem benachschubt wurde. Die Radale wurde veranstaltet von einer Gruppe von Leuten, die auch schon bei Critical Dirt am Start waren oder im letzten Jahr gemeinsam mit uns die Fahrt von Dresden nach Leipzig organisiert oder gefilmt hatten. Man traf sich am Freitag Abend am Conne Island in Leipzigs Süden und wir können bezeugen, dass die Lichter vor dem Eiskeller erst nach 1 Uhr ausgeschaltet wurden, nachdem wir unsere letzte Bierrunde bestellt hatten.

Als klein und fein angekündigt war der Samstag als Dreh- und Angelpunkt sehr gut besucht. Denn 73 Fahrer und rekordverdächtige 20 Fahrerinnen hatten sich im Garten des Conne Island eingefunden und empfingen ihre Startpakete. Eine Rundstrecke um die Stadt, die in großen Teilen dem Inneren Grünen Ring folgte, sollte mithilfe von zwei Karten befahren werden, wobei vier Eisenbahnhaltepunkte als Checkpoints dienten. Björn und ich als Critical Dirt Abordnung hatten GPS und Kartenbrett auf unseren Vorbauten montiert und der berüchtigte Effekt invertierter Tiefstapelei sollte sich schon bald nach dem Startsignal einstellen: Mit wenig Schlaf im Körper hatten wir uns schon im Vorhinein versichert, es langsam angehen lassen zu wollen, kein Stress, man ist ja zum Genießen hier und so weiter… Kaum 500 Meter waren jedoch gerollt und wir zogen unser Tempo nach oben. Da wir die Wege hier recht gut kennen hatten wir außerdem einen nicht zu unterschätzenden Navigationsvorteil gegenüber Auswärtigen und fanden uns somit spätestens ab der Knauthainer Schranke an der Spitze des Feldes wieder. Also doch und eben erst recht: Sportmodus.

Und dann stellte sich so langsam heraus, dass die diesjährige Friedensfahrt, die konstanten Etappenbefahrungen und diverse andere durchfahrene Wochenenden ihre Spuren in unseren Beinen hinterlassen hatten: Wir waren schnell! Durch die westlichen Vororte und die Ausläufer das Auenwaldes fuhren wir ungefähr im Dutzend, schwenkten nördlich des Auensees in Richtung Nordost und folgten den Gleisanlagen des Güterrings, um über die Messeallee am Verpflegungspunkt anzukommen. Das Essensmobil war noch nicht vor Ort, was das Gefühl hoher Geschwindigkeit natürlich noch weiter in Richtung breites Grinsen verstärkte und unsere verspätete Teamautoankunft nach der 1. Etappe von Critical Dirt 2010 in Erinnerung rief. Bald aber tauchten Josch und Co. auf und breiteten ihr Buffet aus, während wir im Schatten sitzend die nachfolgenden Gruppen begrüßten.

Belegte Brötchen, Bananen, Joghurt, Kaffee und Radler sorgten dann für leckeren Nachschub unter malerischem Himmel. Steffen, den wir unterwegs mit einem lauten Schlauchplatzer auf Schotter verloren hatten, zog gleich zweimal einen neuen Schlauch auf sein Rennhinterrad – ja, das geht! – und wir setzten uns gestärkt wieder in Bewegung. Auf weitere Gemütlichkeitsbekundungen verzichteten wir und wollten es wissen, meine Beine wussten es schon. Da sich der Charakter der Strecke von Forst- und Wiesenwegen zu flachem Asphalt geändert hatte und der Wind auffrischte, wurde der zweite Abschnitt zu einer Art Gewaltritt. Fünf Ottertrikots fanden sich in der Spitzengruppe, wobei zumindest meines und jenes von Felix mit fortschreitender Fahrtdauer immer mal wieder nach hinten ausgespuckt wurden, um mit letzter Kraft doch noch Anschluss halten zu können. Björn „ich bin nicht mehr fit aber hatte vor fünf Jahren mal 25.000 Trainingskilometer pro Saison“ drückte stoisch auf seinem Fully mit, während ich mich an Telefonate der letzten Wochen erinnerte, in denen mir fast mahnend der Besuch der Krampfzone (nur unscharf abgegrenzt von der berüchtigten Kotzgrenze) angeraten wurde. Ich hielt mich dran und wurde dort fast heimisch. Leider hängen die Decken da sehr tief, Stroboskope flackern und Pulsschläge wummern während man in panischer Ruhe mit dicken Wurstfingern versucht, mit einer Stecknadel in die Öffnung einer Schaltzugendkappe zu treffen, die in zwanzig Metern Entfernung auf einer Weihnachtspyramide ihre Runden dreht. So erkläre ich mir jedenfalls, dass ich auf Etappe II lediglich ein hastiges Bild geschossen habe und nahm auch die Verlängerungsetappe für die Führungsgruppe, die uns an Markkleeberger und Cospudener See vorbeiführte, noch in Kauf. Spätestens am Stempelpunkt Bistumshöhe entschloss sich Steffen jedoch zum Verlassen seiner Komfortzone und peilte folgerichtig den Tagessieg an, was Mike, Felix und mich mit einem Wimpernschlag und schweißbrennenden Augen auf dem aufgeschütteten Hügel zurückliess. Björn erbarmte sich und wartete mit uns, in immer noch zügigem Tempo rollten wir dann wieder Richtung Eiskeller. Dort waren neben unseren ehemaligen Mitfahrern schon einige, die nicht auf die lange Runde geschickt worden waren, eingetroffen und wir reihten uns nach Abgabe unserer Stempelkarten in die Schlange ein, die am ertzui°fotostand endete. Als die Bilder von uns mit Rad geschossen waren, fluteten wir unsere Körper mit Rauch und Flüssigkeiten und sahen den Platz sich füllen.

Die Siegerehrung folgte in guter Tradition dem Muster, das uns sympathischerweise von vielen Veranstaltungen bekannt ist und dem auch wir gerecht werden wollen: Schnelligkeit wird natürlich belohnt; Style, Mut, Sympathie und lange Anreise jedoch mindestens genauso gern. So erfuhren wir dann auch, dass Menschen aus Cuxhaven gekommen waren und sich ein schwangeres Pärchen die Strecke teilte, dass man auch im Anzug fahren kann und dass schicke Diamant-Räder weiterhin hoch im Kurs stehen. Losglück wurde danach Björn zuteil, dessen Startnummer einem blinkenden Specialized Langster Rahmenset zugelost wurde. Währenddessen sackte aber auch die Müdigkeit nicht nur in die Beine, das abermals leckere Abendbuffet konnte dem im Verbund mit weiteren Einheiten tiefbraunen Bohnentrunks teilweise entgegenwirken. Mit dem Gefühl zurückliegender Anstrengung wurden dann – mit schweren Beinen nicht bloß graue Theorie – die Brevet-Vorhaben und –Erlebnisse einiger Anwesender diskutiert und man wurde sich mal wieder klar darüber, dass irgendwo da draußen subtil die Grenze zum Wahnsinn ausgelegt ist. Was natürlich nicht bedeuten soll, dass man nicht allzu gern auch mal von dieser magischen Linie probieren würde. Mit meinen Gästen Stijn und Michiyo zog ich mich bei einbrechender Dunkelheit dann auf den heimischen Balkon zurück und opferte den Sonntag mit Brunch und weiterer Ausfahrt dem nicht-fahrrad-sozialen Leben, auch dies ein Effekt der zurückliegenden durchfahrenen Wochenenden.

Die Radale hat Spaß gemacht und dass es von heftiger Drückerei bis zur Teilnahme mit Anzug oder Schwangerschaftsbauch ein breit gestreutes Feld möglicher Bewegungsarten gab beweist, dass der Leitspruch „Es wird Fahrrad gefahren“ bestens gewählt war. Der abwechslungsreiche Rundstreckenkurs in Kombination mit bewährter Publikumsumsorgung und eine entspannt bespielbare Homebase  haben das Event zu einem sportlich-relaxten Wochenende für uns gemacht, dass uns erfreulicherweise die Möglichkeit bot, auf ähnlichem Geläuf wie dem von uns bespielten sich einfach nur auf’s Fahren zu konzentrieren. Auf’s Mitfahren und Anziehen und Hinterherhecheln und Navigieren und den ganzen Rest. Viele Grüße also an die Radale-Crew, wir sind gespannt wie’s weitergeht und freuen uns auf ein Bier mit euch.